Schulden aus Selbständigkeit

Krisenmanagement und erste Hilfe

Wer Schulden aus einer Selbständigkeit hat, hat es meist doppelt schwer: Privat- und Berufsleben geraten oft gleichzeitig ins Wanken, der Druck ist hoch, die Verantwortung kann nicht oder nur schwer abgegeben werden. Strukturiertes Handeln und klare Entscheidungen sind gefragt, doch eine erfreuliche Perspektive ist nicht immer in Sicht. 

Die zentralen Schritte, die Sie unternehmen können, wenn Sie merken, dass Sie Ihre (gewerblichen) Rechnungen nicht bezahlen können, sind vergleichbar mit denen für private Schulden. Zunächst  sollten Sie Ihre finanzielle Situation so stabilisieren, dass keine weiteren oder neuen Schulden entstehen. Es gilt, Ihre laufende Existenz zu sichern, bevor Sie sich darüber Gedanken machen, wann und wie Sie Ihre Schulden zurückzahlen. 

Allerdings müssen Sie oft umfassendere Schritte gehen, wenn Sie Ihr Einkommen aus wirtschaftlich selbstständiger Arbeit erzielen. Oft gibt es eine Ladenfläche oder angemietete Büroräume. Sie möchten Ihre Kunden nicht enttäuschen oder kämpfen seit Jahren gegen ein Konkurrenzunternehmen. Vielleicht denken Sie aber auch schon eine Weile darüber nach, die Branche zu wechseln und in ein Angestelltenverhältnis einzusteigen? Vor allem, wenn Sie Ihre Selbständigkeit aufgrund der Corona-Beschränkungen aktuell nicht ausüben können, haben Sie leider viel Arbeit vor sich, um eine Überschuldung und finanzielle Engpässe zu vermeiden. 

Zusätzlich sorgen die finanziellen Hilfen der Bundesregierung für mehr Verwirrung als für Erleichterungen. Teilweise sind Sie nicht anwendbar, teilweise werden sie mit anderen (bereits gezahlten) Leistungen verrechnet. Die Insolvenzantragspflicht wird nicht nur in Korrelation zu der schleppenden Auszahlungen der Corona-Zuschüsse verlängert, auch die inhaltliche Ausgestaltung verändert sich fast täglich. Sofern Sie auf Ihren Namen die wirtschaftliche Selbstständigkeit führen sind Sie nicht nach dem GmbHG verpflichtet Insolvenz anzumelden, wie als Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft. Trotzdem sollten Sie keine Bestellungen auf Ziel in der wirtschaftlichen Krise vornehmen und diese letztendlich nicht bezahlen. Auch bedenken Sie, keine Anzahlungen anzunehmen, wenn bereits absehbar ist, das Sie den zugrundeliegenden Auftrag nicht ausführen können. Viele Selbständige fragen, ob sie auch unter die Antragspflicht fallen. Hier herrscht einige Verwirrung.

Nutzen Sie immer zuerst die Möglichkeit von Kosteneinsparungen im betrieblichen und privaten Bereich, die Möglichkeiten der Corona-Zuschüsse und die Beantragung von Grundsicherung ehe Sie eventuell auf Ihre Altersvorsorge zurückgreifen. Kontrollieren Sie täglich die Veränderungen, Neugestaltungen und anrechenbaren weiteren staatlichen Hilfen. Aktuell muss man wirklich in allen Bereichen mit mit täglichen Veränderungen rechnen.

… und: Versuchen Sie die Nerven zu behalten, auch wenn es Momente gibt,
          in denen Sie vielleicht lieber aufgeben wollen.


Spezialisierte Beratung für überschuldete Unternehmen
Klein(st)Selbständige: Privat und Beruf klar trennen
Staatliche (Corona-)Zuschüsse
Beantragen von Leistungen nach SGB II 
Liquiditätsschonende Anträge beim Finanzamt
Verhandlung über die Gewerbemiete
Unterhaltsleistungen anpassen
(Tarif)Wechsel bei der Krankenversicherung
(Weitere) Reduzierung von Ausgaben
Personalkosten und Personaleinsatz anpassen
Förderkredite nutzen
Letzter Ausweg Insolvenz


 

Spezialisierte Beratung für überschuldete Unternehmen

Wie verhandele ich als Selbständiger mit meinen Gläubigern? Ist die Insolvenz für mich eine gute Option? Bekomme ich staatliche Zuschüsse? Die gute Nachricht ist: Sie müssen sich nicht allein durch die Vielzahl von Informationen kämpfen. Es gibt gute Beratungsstellen, die Ihnen bei der Strukturierung und Sortierung der Informationen helfen. So zum Beispiel in Berlin die spezialisierte Beratungsstelle für kleine Unternehmen bei der Berliner Stadtmission.

Im Folgenden finden Sie Tipps zur Verhandlungsführung: 

  • Video (Online-Seminar der IHK Berlin, Dauer: ca. 60 Min.) 

Klein(st)Selbständige: Privat und Beruf klar trennen

Gerade Einzelunternehmer und Dienstleister wie selbständige Yoga-Lehrer, Kommunikationstrainerinnen oder die Veranstaltungstechniker haben oft nur geringe Betriebsausgaben, weil privates und berufliches nicht klar getrennt werden (können). Sie haben einen (privaten) Handyvertrag, über den auch die geschäftlichen Telefonate geführt werden. Es gibt ein Auto, das für Ihre Dienstreisen ebenso genutzt wird wie für den Tagesausflug am Wochenende. Die Schulden für die neue Arbeitskleidung werden vom Weihnachtsgeschenk der Oma bezahlt. Für viele Klein(st)selbständige besteht die erste große Schwierigkeit darin, die betrieblichen Ausgaben von den privaten Ausgaben zu trennen. 

Doch genau das sollten Sie versuchen! Schaffen Sie Ordnung und trennen Sie Ihre Rechnungen, Kontobuchungen und Ihren Schriftverkehr klar in berufliches und privates. Stellen Sie Klarheit her. Gleiches gilt für die Einnahmen. Zahlen Sie sich lieber einen Lohn von Ihrem Geschäftskonto aus, als alle Geschäfte über Ihr Privatkonto abzuwickeln. Setzen Sie sich selbst regelmäßige Termine für die Buchhaltung und den "Papierkram". Behalten Sie den Überblick, suchen Sie sich Ihr System. Nur so können Sie realistisch einschätzen, wie es Ihrem Unternehmen geht und wie Sie die angespannte finanzielle Situation zukünftig wieder meistern. 

Beantragen von Leistungen nach SGB II

Wenn Sie aktuell nicht (mehr) genug verdienen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, können Sie beim Jobcenter Arbeitslosengeld II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) beantragen. Beim ALG II handelt es sich um eine Sozialleistung, mit der der grundlegende Lebensunterhalt gedeckt werden soll. Sie steht sowohl (ehemaligen) Beschäftigten wie auch Selbstständigen offen. 

Mit der Beantragung von Leistungen nach dem SGB II (beim Jobcenter) sind nicht nur der Lebensunterhalt und die Miete von Ihnen und Ihrer Familie gesichert, sondern auch die Kranken- und Pflegepflichtversicherung kann weitergeführt werden. Das ist auch gerade bei einer Familienversicherung wichtig.

Nicht klar ist, ob bei einem Zweit- oder Folgeantrag sich die Bedingungen verändern. Auch nicht klar ist dabei, wie eine Pause zwischen zwei Anträgen in dem Zeitraum zu bewerten ist.

Trotz der Möglichkeit, die Leistungen online zu beantragen, müssen Sie äußerst umfangreiche Unterlagen für eine Genehmigung einreichen. Dazu gehören Kontoauszüge der letzten 12 Monate, teilweise Jahresabschlüsse und Betriebswirtschaftliche Abschlüsse sowie Versicherungsverträge und sonstige Unterlagen über Ihr Vermögen. Es besteht die Möglichkeit mit der Sachbearbeitung des JobCenters ein 1stündiges Gespräch zu führen, um Fragen beim Ausfüllen der Anträge zu klären. Auch wenn Sie sich gerade in einer wirtschaftlichen Ausnahmesituation befinden, versuchen Sie das Gespräch möglichst ruhig und sachlich zu führen.

Liquiditätsschonende Anträge beim Finanzamt

Bei Zahlungsschwierigkeiten lohnt auch das sofortige Beantragen beim Finanzamt, die Einkommens- und Umsatzsteuervorauszahlungen bis auf weiteres auf 0,00 € setzen zu lassen sowie die möglicherweise ausstehende Steuerzahlung für 2018 zu stunden.

Am 25. Januar 2021 hat das Bundesministerium der Finanzen gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zu gewerbesteuerlichen Maßnahmen zur Berücksichtigung der Auswirkungen des Corona-Virus veröffentlicht. Alle von der Corona-Krise betroffene Unternehmerinnen und Unternehmer können danach einen Antrag auf Herabsetzung des Gewerbesteuermessbetrages für Zwecke der Vorauszahlung stellen. An die Prüfung der Voraussetzungen sind keine strengen Anforderungen zu stellen.

Verhandlung über die Gewerbemiete

Sofern Sie mit Hilfe eines gewerblichen Mietvertrages Ihre Selbstständigkeit durchführen, gibt es jetzt eine gesetzliche Erleichterung mit Ihrem gewerblichen Vermieter zu verhandeln. Ihr gewerblicher Mietvertrag ist in der Regel über mehrere Jahre abgeschlossen. Vielleicht haben Sie aber auch gerade kurz vor dem Ausbrechen der Corona-Pandemie Ihren alten Mietvertrag verlängert. Die Miete aufgrund der Pandemie auf ein erträgliches Maß herunter zu verhandeln oder sogar aus dem gewerblichen Mietvertrag „herauszukommen“ ist normalerweise äußerst schwierig.

Die Bundesregierung hat daher mit dem Artikel 240 § 7 EGBGB Ihnen die Möglichkeit geschaffen mit dem Vermieter "auf Augenhöhe" zu verhandeln. Art. 240 § 7 EGBGB eröffnet die Möglichkeit aufgrund der staatlichen Einschränkungen zur Verhinderung der Ausweitung der Covid-19-Pandemie die Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB anzuwenden. Damit wird (widerlegbar) vermutet, dass sich Umstände, die zur Grundlage des Mietvertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und in Kenntnis der Veränderungen die Vertragspartner den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt abgeschlossen hätten.

Beziehen Sie sich daher bei Verhandlungen mit dem Gewerbevermieter auf diesen Paragrafen. Sowohl eine Mietminderung, -aussetzung als auch eine vorzeitige außerordentliche Kündigung sind damit möglich.

Unterhaltsleistungen anpassen

Wenn sich Ihre gewerblichen Einnahmen deutlich verringert haben und Sie Unterhalt zahlen, können die Unterhaltsleistungen angepasst bzw. gesenkt werden. Suchen Sie das Gespräch mit den Unterhaltsberechtigten. Alternativ mit dem Jugendamt und/oder der Unterhaltsvorschusskasse. Informieren Sie diese umgehend über die Einkommensreduzierung, damit die Höhe der Zahlung angepasst werden kann.

Tipp: Wenn Sie bisher direkt die Unterhaltsleistung an Ihr Kind gezahlt haben, dies aber aufgrund Ihrer Einkommenseinbußen aktuell nicht möglich ist, kann Ihr Kind Unterhaltsvorschuss vom Staat bekommen. Der Unterhaltsvorschuss gleicht zumindest einen Teil des fehlenden Unterhalts aus.

(Tarif)Wechsel bei der Krankenversicherung

Freiwillig gesetzliche Krankenversicherte sollten Ihre Krankenkasse bei Einkommensreduzierungen umgehend informieren, um den Krankenversicherungsbeitrag zu senken.

Auch generell sollten Sie Ihren Krankenversicherungstarif überprüfen lassen. Oft bringt schon ein Tarifwechsel deutliche Einsparungen. 

(Weitere) Reduzierung von Ausgaben

Überprüfen Sie – privat und beruflich – Ihre laufenden Verträge und Zahlungsverpflichtungen.

Wenn privat das Fitness-Studio pandemiebedingt nicht besucht werden kann, sollte man auch gegen die Abbuchung des Mitgliedsbeitrags vorgehen. Es sollte überlegt werden, die Mitgliedschaft im Fitness-Studio aus wichtigem Grund zu kündigen oder zu pausieren. Viele Anbieter bieten das Pausieren unkompliziert an, jedoch müssen Sie die Pause aktiv beantragen. 

Ähnlich gilt es auch für Ihre laufenden beruflichen Ausgaben: kündigen Sie die Monatskarte vom ÖPNV, wenn Sie nur am Heimarbeitsplatz tätig sind. Beantragen Sie eine Senkung der Stromvorauszahlung, wenn Ihre Geschäftsräume monatelang nicht genutzt werden. Prüfen Sie, ob Versicherungen eine (befristete) Senkung des Einzahlungsbetrags ermöglichen oder gar Zahlungspausen anbieten. Stellen Sie Werbemaßnahmen (z.B. Anzeigen) befristet ein, wenn Sie derzeit keine Aufträge annehmen dürfen. 

Tipp: schauen Sie sich kritisch und ehrlich die Ausgaben der letzten Monate an. Wo sind Zahlungspausen möglich? Mit wem können Sie über Zahlungserleichterungen verhandeln? Wo ist eine Kündigung die beste Option? 

Personalkosten und Personaleinsatz anpassen

Bei den Personalkosten hilft die Möglichkeit der Kurzarbeit. Kurzarbeit bedeutet die vorübergehende Verringerung der regelmäßigen Arbeitszeit in einem Betrieb aufgrund eines erheblichen Arbeitsausfalls. Von der Kurzarbeit können alle oder nur ein Teil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eines Betriebes betroffen sein. Das ist für einen Gastronomen oder der Inhaberin einer Massage-Praxis eine eher ungewohnte Maßnahme, steht Ihnen aber genauso zur Verfügung wie einem Auto-Konzern. 

Für Eltern, die keine Möglichkeit haben, ihre Kinder im Lockdown zu betreuen, hat der Staat zudem eine Urlaubssonderregelung erlassen. 

Gerade in kleinen Betrieben gilt: suchen Sie das Gespräch mit Ihren Angestellten und versuchen Sie gemeinsam Lösungen zu finden. Als Team können Sie mehr Ideen entwickeln, Arbeiten aufteilen, Prozesse überdenken. Tauschen Sie sich alternativ mit anderen Selbständigen oder Ihrem Umfeld aus, teilen Sie Erfahrungen und Lösungswege. 

Förderkredite nutzen

Ob Förderkredite sinnvoll sind, entscheidet sicherlich der Einzelfall. Kredite müssen zurückgezahlt werden und die Frage steht im Raum, ob und wann die Wirtschaft in welcher Art und Weise wieder anspringt. Klar ist, dass z. B. ein Restaurant, wenn es wieder öffnet, frische Lebensmittel einkaufen muss. Ein Großteil der alten Waren dürfte nicht mehr zum Verzehr geeignet sein. Das Geld dafür muss irgendwo herkommen.

Letzter Ausweg Insolvenz

Die Anmeldung eines Insolvenzverfahrens sollte für Sie immer der letzte Weg sein. Erst wenn alle anderen Möglichkeiten Kosten einzusparen, Förderzuschüsse oder Leistungen der Grundsicherung zu erhalten ausgeschöpft sind, sollten Sie das Verfahren nutzen. Das bedeutet aber auch, sich schon vorher über die Vor- und Nachteile des Insolvenzrechts zu informieren.

    Egal, ob Sie eines der beiden persönlichen Insolvenzverfahren beantragen oder als Geschäftsführer über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft ein Verfahren eröffnen lassen wollen, die Sanierungsmöglichkeiten des Insolvenzrechts stehen Ihnen in allen Verfahren zur Verfügung. Allerdings sollten Sie bedenken, je früher und strukturierter Sie diese in Angriff nehmen, desto eher werden Sie diese Instrumente auch nutzen können. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bedeutet nicht das Ende des Geschäftsbetriebes.

    Die beiden Insolvenzverfahren für natürliche Personen mit Restschuldbefreiung bieten Ihnen zusätzlich die Möglichkeit, sich von allen „redlichen“ Schulden gerichtlich befreien zu lassen. In jedem Fall ist es wichtig, eine Haushaltssituation zu schaffen, in der neue Schulden nicht mehr anfallen.

    Schaubild: Abgrenzung von Regelinsolvenzverfahren und Verbraucherinsolvenzverfahren

    Um die Sanierungsmöglichkeiten einer Insolvenz nutzen zu können, bedarf es einer Prognose der zukünftigen wirtschaftlichen Möglichkeiten. Es muss also die Frage gestellt werden, ab welchem Zeitpunkt wieder genug Kunden, Aufträge oder Vertragsabschlüsse vorhanden sein werden, um mit der selbstständigen Tätigkeit Gewinne zu erzielen. Solange die pandemiebedingten Faktoren so unklar und wechselhaft sind, dürfte diese Frage kaum beantwortet werden können. Also wird in vielen Fällen eine Insolvenz leider auch nicht als Lösungsmöglichkeit in Frage kommen. 

    Aktuell bieten die Industrie- und Handelskammern, die DEHOGA und Innungen fast wöchentlich Online- Seminare zu Themen des Insolvenzrechts an. In den meisten Fällen sind diese kostenlos. Auch stehen Ihnen für Fragen Ihrer persönlichen Verschuldung die anerkannten Schuldnerberatungsstellen zur Verfügung. Nutzen Sie diese Möglichkeiten zur Informationsgewinnung. Sie würden ja auch nicht nur mit einer Machete bewaffnet durch den brasilianischen Regenwald wandern, sondern sich üblicherweise einem erfahrenen Guide anvertrauen, der Sie sicher zum Ziel bringt, oder? 


    Quellen:

    Dipl. Kfm. Frank Wiedenhaupt (Text),
    IHK Berlin (Video),
    Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung Hamburg e.V. (Schaubild)

    Kostenfrei informieren

    Die regional organisierten Industrie- und Handelskammern (IHK) bieten ihren Mitgliedern oft kostenlose oder kostengünstige Seminare und Online-Vorträge an.